Dirk Stoll, Marathon-Pfarrer des Kassel Marathon, hatte vor einiger Zeit den Anstoß gegeben, blinde und sehbehinderte Läuferinnen und Läufer die Chance zu geben, in Kassel an den Start zu gehen. Er selbst war bereits bei mehreren Laufveranstaltungen mit seiner Tandempartnerin dabei und hat im letzten Jahr auch eine Schulung in Kooperation mit dem Blindenguidenetzwerk Deutschland organisiert, die auf große Resonanz stieß. (Bericht >>> hier)
Da lag es auf der Hand, dass im Rahmen des Kassel Marathon 2025 die erste Blind-Team-Challenge stattfand, die über das Guidenetzwerk organisiert wurde. Das Guidenetzwerk kann deutschlandweit genutzt werden, unabhängig vom Wohnort, kostenfrei und vereinsunabhängig. Blinde Sportler können die Plattform des Guidenetzwerks als Registrierungs- und Vermittlungsportal nutzen.
Für Kassel als Austragungsort hatte sich das Blindenguidenetzwerk entschieden, weil die Stadt zentral in Deutschland liegt, das Organisationsteam des Kassel Marathon sofort die Bereitschaft zeigte, die Challenge während des Kasseler Marathons auszutragen und eben Pastor Dirk Stoll den Grundstein für eine solche Veranstaltung schon lange vorbereitet hatte.
Die Idee kam sehr gut an, gleich 23 Blindentandems gingen an den Start.
„Es war großartig! Die Vorbereitung mit dem Veranstalter, das Hotel Crede, in dem unsere Läufer untergebracht waren, die Zuschauer und das Wetter – alles stimmte. Die 23 Blindentandems konnten vom Start an den Lauf genießen, da die Strecke barrierearm war. Alle finishenden Tandems schafften die 21 km“, bilanzierte Juliana Löffler vom Blindenguidenetzwerk.
Und die Tandems beeindruckten mit tollen Leistungen, so kam das Siegertandem bei den Männern, Tien-Fun Yap mit Guide Julian Gering, schon nach 1:20:11 Stunden ins Ziel, das beste Frauen-Tandem Eva Hangartner mit Guide Tilmann Volk nach 1:53:56.
Geehrt wurden jedoch alle Teilnehmer: In der Challenge stand nicht die Zielzeit im Vordergrund, sondern die Freude am Laufen, das Kennenlernen und die Gespräche während der zwei Tage in Kassel.
Ein ganz besonderes Sahnehäubchen gab es ebenfalls: Die Siegerehrung wurde von dem Bundesbeauftragten für Menschen mit Beeinträchtigung, Jürgen Dusel, vorgenommen, der eigens aus Berlin angereist war. Eine Würdigung der Leistung aller Teilnehmenden.
Beim Abschied deutete sich die Wiederholung der Blind-Team-Challenge im kommenden Jahr an, natürlich wieder in Kassel!
„Es waren wirklich tolle Leistungen, die die Tandems erzielt haben und wir haben uns sehr gefreut, diese Premiere durchgeführt zu haben. Sie ist überall sehr gut angekommen und gerne sind wir bereit, das beim nächsten Kassel Marathon fortzusetzen“, so Marathon-Veranstalter Michael Aufenanger.
Blind-Team Wertung:
1. Platz Frauen: Eva Hangartner mit Guide Tilmann Volk: 1:53:56 h
2. Platz Frauen: Janine Gallisch mit Guide Tobias Gallisch: 1:57:43 h
3. Platz Frauen: Kadriye Uyar mit Guide Henning Ziegenmeyer: 2:08:37 h
1. Platz Männer: Tien-Fun Yap mit Guide Julian Gering: 1:20:11 h
2. Platz Männer: Ralf Arnold mit Guide Timo Bracht: 1;31:08 h
3. Platz Männer: Christopher Bartlewski mit Guide Ingo Behaghel: 1:46:04
So erlebte Ralf Arnold mit seinem Guide Timo Bracht den Kassel Marathon
Für mich war der Start beim Kassel Marathon über die HM Distanz ein sehr gut organisiertes Event. Vor allem das Wetter hat ja klasse mitgespielt nach dem regnerischen Wetter bei unserer Anreise am Samstag. Viel bessere Wetterbedingungen kann man sich ja kaum wünschen mit angenehm kühlen Temperaturen und gleichzeitigem Sonnenschein.
Einzig und allein etwas kalt erwischt hat uns das Höhenprofil der Wettkampfstrecke mit seinen ca. 100 hm. Das hatten wir nicht ganz so hügelig erwartet und vor allem die 2. Hälfte der Strecke hatte es in sich zusammen mit den teilweise parallel zur Laufstrecke verlegten Straßenbahnschienen. Da musste ich doch sehr aufpassen, um nicht so halb mit dem Schuh in eine Schiene zu treten und dabei umzuknicken. Das wäre dann nämlich das Ende des Laufs gewesen.
Ansonsten war die Strecke sehr angenehm abwechslungsreich und es gab wirklich keine Streckenabschnitte, an denen man hätte langsam laufen müssen wegen der Streckenführung oder des Untergrunds.
Gegen Ende muste ich mich dann doch noch ziemlich zusammenreißen, um nicht viel an Pace zu verlieren und noch einigermaßen flott ins Ziel laufen zu können. Dort angekommen habe ich mich aber schnell wieder erholt und konnte auf dem Weg ins Hotel schon wieder locker und leichtfüßig laufen. Da hat sich dann doch das regelmäßige Ausdauertraining in die vielen Intervalleinheiten gelohnt. Denn sonst wäre das nach dem Zieleinlauf nicht mehr möglich gewesen.
Timo Bracht als Guide war auch echt klasse – nicht nur von seiner Laufform, sondern auch als Mensch. Ich bin ja zuvor noch nie mit ihm zusammen gelaufen und wir kennen uns nur eher flüchtig von Wettkämpfen in unserer Region um Mannheim herum, bei denen sowohl er als auch ich mit meinen üblichen Guides gestartet bin. Außerdem war er früher bei mir im Verein in der Triathlonabteilung. Da haben wir uns gelegentlich auch mal vor- oder nach dem Schwimmtraining kurz gesprochen. Aber schon bei der gemeinsamen Zugfahrt von Mannheim nach Kassel und dem Weg ins Hotel haben wir uns so gut verstanden, als würden wir uns schon lange näher kennen und es war fast als wären wir schon Jahre befreundet.
Genauso gut hat das mit dem gemeinsamen Laufen im Wettkampf auch geklappt. Die Ansagen von Timo waren immer treffend und er hat mich regelmäßig auf dem laufenden gehalten mit Infos zur Strecke, der Pace des letzten Kilometers und der bereits zurückgelegten Distanz. So konnte ich meine Kräfte optimal einteilen und bin trotz der 100 hm mehr als 1 min. schneller gelaufen als noch Anfang März beim Halbmarathon im pfälzischen Kandel. Von daher bin ich auch mit meiner Leistung sehr zufrieden gewesen, auch wenn ich vergangenen Sonntag (28.9.) im badischen Weinheim a.d. Bergstraße mit einer 1:29:13 nochmal deutlich schneller laufen konnte als in Kassel. Jeder Wettkampf ist eben das beste Training und macht schneller…
Fotos unten:
Jürgen Dusel, Bundesbeauftragter für Menschen mit Beeinträchtigung, mit den Siegern bei den Männern Tien-Fun Yap mit Guide Julian Gering und bei den Frauen Tien-Fun Yap mit Guide Tilmann Volk.
Fotos: Michael Schmitz
Fotos Galerie: Michael Bald